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Der Angst spielerisch begegnen

In Situationen der Angst, welcher Art und Intensität auch immer, fühlen wir uns bedrückt, wie gelähmt, wie von einem übergroßen, furchterregenden Drachen bewohnt. Er scheint unser Herz oder gar unsere gesamten inneren Organe in seinen riesigen Klauen zu halten und droht damit, sie zu zerquetschen. Der Angst begegnen wie Michael dem Drachen

Die Angst wahrnehmen

Wie begegnen wir dieser Angst? Lassen wir die biologischen Reaktionen, die ablaufen, wie es die Gesetzmäßigkeiten von ihnen verlangen, einmal außen vor. Wie gehen wir mit unseren Ängsten um? Was tun wir und was können wir tun, um ihnen mit Stärke gegenüber zu treten?

Der Angst begegnen

Mut und Liebe, vor allem die Selbstliebe, sind Instrumente, die in uns vorhanden sind, um der Angst Einhalt zu gebieten. Selbstliebe erweckt in uns den Antrieb, nicht mehr in Starre zu verfallen, selbstzerstörerische Gedanken zu hegen und das Ereignis mit uns spielen zu lassen. Dieser Antrieb weckt Mut in uns, den Ritter, der uns gegen unseren Drachen aufbegehren lässt. Mut hilft uns, der Angst in die Augen zu schauen.

Mythologischer Hintergrund

Pünktlich zum Wechsel der Jahreszeit in den Herbst, wird in der christlichen Welt Michaeli, das Michaelsfest, gefeiert. Den Erzählungen nach erschlug der Erzengel Michael den Drachen auf dem Höhepunkt einer dramatischen Auseinandersetzung. Die Überwindung des Drachen durch den Menschen findet auf zwei Ebenen statt: äußerlich-leiblich als Auseinandersetzung mit den Erlebnissen der Vergangenheit und der Projektion auf eine mögliche Zukunft und innerlich-seelisch durch den Zwiespalt mit den moralischen Zukunftszielen.

Egal, ob es Michael in der christlichen, Indra in der indischen, Apollo in der griechischen, Mithras in der persischen oder Siegfried in der nordischen Tradition war. Der Drache, für das Dämonische in uns, wurde in vielen Gemeinschaften als Bild gewählt und schließlich bezwungen.

Angst und Mutspiele

In den Waldorfschulen wird traditionell zu Michaeli mit Mutspielen dem Erzengel Michael spielerisch nachgeahmt. Kinder der unteren Klassen werden vor Herausforderungen gestellt, die es zu bewältigen gilt. Es wird hoch geklettert, balanciert, tief gesprungen. Die Kinder stellen sich der Ungewissheit der Dunkelheit und springen übers Feuer.

In einigen Schulen wird gemeinsam gegen einen vorher konstruierten Drachen gekämpft, bis er zu Asche verbrennt.

Die Kinder lernen dabei, ihren eigenen Ängsten und Befürchtungen zu begegnen und spüren was es bedeutet, sie in ihre Schranken zu weisen. Kinder entwickeln so Mut und Selbstbewusstsein.

Wenn ich stark bin, wenn ich stark bin, so stark wie ein Stier,
dann erschlag ich im Walde das Drachengetier.


Marianne Garff (1903-1995) Dichterin, Waldorflehrerin
aus: Wenn ich groß bin

Mut entwickeln

Was können wir von dieser Tradition lernen? Mut und Selbstliebe sind zwar in uns vorhanden, sie wollen aber beachtet und genährt werden. Auch als Erwachsener können wir spielerisch unseren Mut, sowie Lebensfreude entwickeln. Wir können uns, wenn wir die Möglichkeiten haben, von Kindern anstecken lassen oder uns eigenen spielerischen oder auch ernsthaften Herausforderungen stellen.

Um den Mut erstmal zu nähren und wachsen zu lassen, hilft es, sich nicht sofort und allein den großen Dämonen in sich zuzuwenden. Sinnvoller ist es, schrittweise das Bewusstsein zu entwickeln, dass Du durchaus in der Lage dazu bist, im Kampf gegen Dein Ego zu bestehen. Das bringt den nötigen Mut, es mit den großen Drachen aufzunehmen. Unterstützung auf diesem Weg anzunehmen, ist ein Zeichen des Mutes und der Erkenntnis, dass wir nicht alles selber lösen müssen. Diese Lektion dürfen wir alle wieder lernen. Niemand muss da alleine durch. Wir sind ein großes „Rudel“, das sich gegenseitig unterstützt.

Lebe dein Leben auf alle möglichen Arten – gut-schlecht, bitter-süß, dunkel-hell, Sommer-Winter. Lebe alle Dualitäten. Habe keine Angst Erfahrungen zu machen, denn umso mehr Erfahrung du hast, umso reifer wirst du werden.


Osho – „Rajneesh“ Chandra Mohan Jain (1931 – 1990) spiritueller Lehrer